Jakob Dreyer
Songs, Hymns and Ballads Vol. 1
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Beowulf Sheehan, Yusuke Yamanouchi
Wie es Sting als Englishman in New York ergangen ist, ist allgemein bekannt. Der Deutsche Jakob Dreyer hat es in dieser Stadt wohl leichter und kommt sich nicht als Alien vor. Das lässt zumindest sein Album Songs, Hymns and Ballads vermuten, das er dort zusammen mit amerikanischen Musikern aufgenommen hat.
- Jakob Dreyer
Jakob Dreyer ist ein deutscher Jazz-Bassist und Komponist. In der Nähe von Hamburg ist er groß geworden, hat zuerst Klavier gelernt, wechselte später zum Kontrabass. Vor 10 Jahren ging er in die USA, aktuell lebt er zu gleichen Teilen in USA und in Deutschland. Auf über 30 Alben hat er als Sideman mitgespielt, doch mit diesem Album gibt er sein Debüt als Bandleader.
Jakobs Band ist hierzulande kaum bekannt, aber das kann sich ja noch ändern. Der Tenorsaxophonist Jason Rigby kann auch Flöte und Bassklarinette spielen. Er und der Drummer Jimmy Macbride waren schon an vielen Aufnahmesessions beteiligt. Der Pianist Jon Cowherd, der auch Trompete und Violine spielt, hat als Plattenproduzent gearbeitet, u. a. für Cassandra Wilson und Lizz Wright.
- Songs, Hymns and Ballads
Was ist nun ein Song, was eine Hymne, was eine Ballade? Das ist nicht immer einfach zu entscheiden, aber ist das wichtig? Auf jeden Fall sind die Stücke recht abwechslungsreich gestaltet. Mit Milchstraße beginnt das Album, sie ist nicht weit, denn gemeint ist eine Straße in Hamburg. Das Saxofon von Jason Rigby führt uns diese Straße entlang, erst gemächlich, doch die Fahrt geht mit dem beschleunigten Groove flotter voran. Ein längeres Piano Solo von Jon Cowherd beflügelt unsere Schritte bis dass uns ein Bass Solo von Jakob innehalten lässt. Jason Rigby nimmt uns wieder mit einem Solo an die Hand bis dass die Drums uns mit prägnanten Schlägen ans Ziel bringen. Damit sind wir aber schon in Schweden angekommen, in Gothamburg (Göteborg), das auch schon einmal die Brüder Wasserfuhr inspiriert hat. Ein fast militärisch klingendes Intro auf der Snare von Jimmy Macbride lässt uns aufhorchen bis dass uns der Saxofonist mit einer Melodie aus 7 Tönen begrüßt, die immer weiter variiert wird.
So oder anders kann man die Stücke interpretieren, wie ist unwichtig, wichtig ist, dass sie die Möglichkeit der Interpretation bieten und innere Bilder entstehen lassen.
Balladenähnlich sind die langsamen Stücke Legrand und Seneca Village. Epistemology dagegen klingt ganz anders, die Band dreht im Uptempo voll auf; auch Kaspar kommt recht schnell daher, u. a. mit einem Drum Solo von Jimmy Macbride.
Der J-Song hat das Song-Attribut schon im Namen und beginnt mit einer einfachen, fast kindgemäßen Melodie, die an Frère Jacques/Bruder Jakob erinnert. Das ‚J‘ könnte gut ein Hinweis sein. Eine Hymne habe ich nicht entdecken können, vielleicht ist The Cure gemeint?
Anyway, die von Jakob komponierte Musik ist jedenfalls sehr intelligent, mit interessanten, manchmal komplizierten Melodien und unerwarteten Akkordwechseln. In NRW ist die Musik von
Caspar van Meel
, auch Bassist und Komponist, vergleichbar. Die Band spielt auf Spitzenniveau, spannende Bass Soli durchziehen alle Stücke, aber auch die anderen Musiker haben reichlich Gelegenheit sich einzubringen.
So macht Jakobs Musik einen sehr guten Eindruck, professionelle Musiker spielen modernen Jazz. Aber was macht Jakobs Stil aus, woran ist er zu erkennen? Daran wäre noch zu arbeiten. Macht es Sinn den Bass auch mal zu streichen wie andere Bassisten oder gar mit Vokalisen zu arbeiten wie Alex Morsey? Oder kann sich der Saxofonist mal mit seiner Bassklarinette einbringen? So könnte man Ressourcen nutzen, um noch mehr Originaltät, aber auch Abwechslung zu erzielen. Oder will man puristisch sein? Doch da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Jakob hat das Zeug dazu.
Songs, Hymns and Ballads, Volume 2 wird am 10. April 2023 auf dem Fresh Sound Label erscheinen. Man darf gespannt sein.
Jakob Dreyer - Songs, Hymns and Ballads Vol. 1
Label: Fresh Sound
Bestellnummer: 11091866
Erscheinungstermin: 7.11.2022